Im Kantschen Werk Der Übergang von den Metaphysischen Anfangsgründen der Naturwissenschaft zur Physik kommt eine originelle Art zum Ausdruck, mit der das Problem des Äthers aufgegriffen wird. Kant hat nämlich in seinen vorhergehenden Schriften den Äther nur als eine wissenschaftliche Hypothese betrachtet, die nützlich für die Untersuchung bestimmter Phänomene ist. Jetzt wird er zu einer wirklichen Materie, deren Existenz beweisbar ist. Im Opus postumum werden Äther und Brennbares oft als Synonyme gebraucht, da in diesem Fall das Wort Brennbares eine flüssige Materie bezeichnet, die Veränderungen ermöglicht ohne selbst welche zu ertragen. Es handelt sich um eine ähnliche Definition wie die, die der deutsche Chemiker Stahl dem Phlogiston in den ersten Jahren des 18. Jahrhunderts gegeben hatte. Diese Synonymie ist jedoch nicht immer in Kants Opus postumum vorhanden, und das läßt darauf schließen, daß der Äther im Vergleich zum Brennbaren eine Natur besitzt, die sich besser für den „Übergang von der Metaphysik zur Physik“ eignet. Die Notwendigkeit, diesen „Übergang“ zu finden, geht daraus hervor, daß die Liste der Kategorien, die in der Kritik der reinen Vernunft geliefert wird, unzulänglich für die Erklärung aller Bestimmungen ist, denen die Physik in der Natur begegnet. Diese Unzulänglichkeit verursacht eine Trennung zwischen Physik und Metaphysik, die überwunden werden muß. Der Übergang vom System der einzelnen Naturelemente zu dem der Welt muß einen transitus anstatt einen „Sprung“ ergeben. Deshalb muß die Physik, die in diesem Fall von Kant als physica generalis und nicht als physica specialis definiert wird, auch die Notwendigkeit des Übergangs von den metaphysischen Prinzipien der Naturwissenschaft zur Physik enthalten. Dieses würde dank der Vereinbarkeit geschehen, die zwischen den a priori Regeln und ihrer Anwendung an empirisch gegebenen Objekten gefunden werden müßte. Dieser Übergang beschränkt sich allerdings nur auf die Bestimmung der Prinzipien, durch die man in jener Wissenschaft fortschreitet, und geht nicht auf ein spezifisches Gebiet ein, da es ansonsten zu einer physica specialis führe. Kant will hier einen theoretischen Übergang liefern, damit die Anwendung der Kategorien der reinen Vernunft auf dem Feld der wissenschaftlichen und im besonderen physischen Erfahrung nicht nur als möglich erscheint, sondern auch im Einverständnis mit dem Objekt der Kenntnis ist.

Die Materie Äther in Kants Opus postumum

PROCURANTI, Lucia
2008-01-01

Abstract

Im Kantschen Werk Der Übergang von den Metaphysischen Anfangsgründen der Naturwissenschaft zur Physik kommt eine originelle Art zum Ausdruck, mit der das Problem des Äthers aufgegriffen wird. Kant hat nämlich in seinen vorhergehenden Schriften den Äther nur als eine wissenschaftliche Hypothese betrachtet, die nützlich für die Untersuchung bestimmter Phänomene ist. Jetzt wird er zu einer wirklichen Materie, deren Existenz beweisbar ist. Im Opus postumum werden Äther und Brennbares oft als Synonyme gebraucht, da in diesem Fall das Wort Brennbares eine flüssige Materie bezeichnet, die Veränderungen ermöglicht ohne selbst welche zu ertragen. Es handelt sich um eine ähnliche Definition wie die, die der deutsche Chemiker Stahl dem Phlogiston in den ersten Jahren des 18. Jahrhunderts gegeben hatte. Diese Synonymie ist jedoch nicht immer in Kants Opus postumum vorhanden, und das läßt darauf schließen, daß der Äther im Vergleich zum Brennbaren eine Natur besitzt, die sich besser für den „Übergang von der Metaphysik zur Physik“ eignet. Die Notwendigkeit, diesen „Übergang“ zu finden, geht daraus hervor, daß die Liste der Kategorien, die in der Kritik der reinen Vernunft geliefert wird, unzulänglich für die Erklärung aller Bestimmungen ist, denen die Physik in der Natur begegnet. Diese Unzulänglichkeit verursacht eine Trennung zwischen Physik und Metaphysik, die überwunden werden muß. Der Übergang vom System der einzelnen Naturelemente zu dem der Welt muß einen transitus anstatt einen „Sprung“ ergeben. Deshalb muß die Physik, die in diesem Fall von Kant als physica generalis und nicht als physica specialis definiert wird, auch die Notwendigkeit des Übergangs von den metaphysischen Prinzipien der Naturwissenschaft zur Physik enthalten. Dieses würde dank der Vereinbarkeit geschehen, die zwischen den a priori Regeln und ihrer Anwendung an empirisch gegebenen Objekten gefunden werden müßte. Dieser Übergang beschränkt sich allerdings nur auf die Bestimmung der Prinzipien, durch die man in jener Wissenschaft fortschreitet, und geht nicht auf ein spezifisches Gebiet ein, da es ansonsten zu einer physica specialis führe. Kant will hier einen theoretischen Übergang liefern, damit die Anwendung der Kategorien der reinen Vernunft auf dem Feld der wissenschaftlichen und im besonderen physischen Erfahrung nicht nur als möglich erscheint, sondern auch im Einverständnis mit dem Objekt der Kenntnis ist.
2008
9783110183689
Kant; etere; materia
File in questo prodotto:
Non ci sono file associati a questo prodotto.

I documenti in IRIS sono protetti da copyright e tutti i diritti sono riservati, salvo diversa indicazione.

Utilizza questo identificativo per citare o creare un link a questo documento: https://hdl.handle.net/11562/314060
Citazioni
  • ???jsp.display-item.citation.pmc??? ND
  • Scopus ND
  • ???jsp.display-item.citation.isi??? ND
social impact