Wie kommt der Berg in den Käse? Interdisziplinäre Zugänge zu Praktiken der Verräumlichung und Verrechtlichung kulinarischer Spezialitäten
Sidali KL
;
2015-01-01
Abstract
Der Beitrag untersucht Verortungs-Praktiken bei der Registrierung und Vermarktung von Lebensmittelspezialitäten. Regionale Spezialitäten sind kontextualisierte Lebensmittel. Ihre Konsumenten hoffen, mit Parmaschinken oder Allgäuer Emmentaler im Einkaufswagen nicht nur ein qualitativ hochwertiges, sondern vor allem ein traditionell verortetes Produkt zu kaufen. Zu dieser Annahme verhelfen der Name mit Ortsbezug, eventuelle bildliche Darstellungen und – bei entsprechender Kenntnis – die ‚rot-gelbe Sonne‘ des EU-Labels. Die regionalen und von der EU-geschützten Lebensmittel (geschützte Ursprungsbezeichnungen/g.U. und geschützte geografische Herkunftsangaben/g.g.A.) werden im Erfolgsfall mit Landschaften und Räumen identifiziert, wie auch diese Räume mit den entsprechenden Spezialitäten assoziiert und durch sie erfahrbar werden: So erscheint der Allgäuer Käse als eine kulinarische Materialisierung des Voralpenidylls, während gleichzeitig das Allgäu durch seine (Käse-)Spezialitäten charakterisiert und geschmacklich wahrnehmbar wird. Der Europäische Herkunftsschutz basiert auf dieser wechselseitigen Beziehung von Raum und Geschmack und ermöglicht dessen Propertisierung und Vermarktung. Mit den geographischen Herkunftsangaben zeichnet die EU mithin Spezialitäten aus, deren regionaler und traditioneller Ursprung von Akteuren bewiesen werden muss. Doch nicht nur in Praktiken des Antragsverfahrens – initiieren, recherchieren, argumentieren, etablieren – spielen Raum und Landschaft die zentrale Rolle. Auch die Praktiken der Vermarktung – valorisieren, kommodifizieren, inszenieren – bauen auf den Zusammenhang von Produkt, Region und Kultur. In den Fallbeispielen unseres Forschungsprojektes stehen geschützte Käsespezialitäten aus Bergregionen im Vordergrund. Dem Berg als prägnantem Stellvertreter für die inkorporierten landschaftlichen Merkmale werden Wissen um Käseproduktion, Landschaftsbilder zugeschrieben. Davon ausgehend fokussiert der Artikel auf zwei italienische g.U.-Spezialitäten: Parmigiano Reggiano aus den Apenninen und Piave aus den Alpen. Der Beitrag bespricht dreierlei: Erstens, den Schutz rechtfertigenden Zusammenhang von Raum und Produkt als Prozess der In- und Exklusion. Zweitens, spezifische Besonderheiten dieses an Raum gebundenen Schutzes. Drittens, die konstituierenden Momente im Kontext der Geo-Schutzinitiative. In den Schlussfolgerungen werden die Verwobenheit von ökonomischen und kulturellen Politiken bei der Entstehung von Cultural Property weiter dekonstruiert und Hinweise auf Forschungslücken gegeben.File in questo prodotto:
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