Paolo Pecere, La filosofia della natura in Kant, Biblioteca filosofica di Quaestio, Bd. 10, Edizioni di Pagina, Bari 2009, 851 p., ISBN 9788874700967. In dieser exzellent ausgearbeiteten Promotionsarbeit geht Paolo Pecere der Frage nach, ob Kants Kenntnisse von Ergebnissen der Naturforschung dazu beigetragen haben, die Entwicklung seiner ganzheitlichen philosophischen Auffassung mitzugestalten. In der Tat beabsichtigt Pecere diese Fragestellung zwar über das gesamte Wirken Kants zu untersuchen, beginnt aber wie selbstverständlich mit der vorkritischen Periode, die beträchtliche Verschiebungen in Kants Interesse in den Naturwissenschaften aufweist. Insbesondere in den Jahren von 1747 bis 1760 widmet sich Kant den Naturwissenschaften mit großer Hingabe, während er sich in den darauffolgenden Jahren mehr auf die eigentlich metaphysische und systematische Arbeit konzentriert. Der erste Teil der Arbeit, ist der Frage gewidmet, wieso hätte Kant der Physik so viel Aufmerksamkeit gewidmet, zumal da er mit der Ausnahme der Allgemeinen Naturgeschichte an sich wenig Nennenswertes schrieb. Interessant der Hinweis S. 489, Kant sei bei allen seinen von Konstantin Pollok kritischen Kommentar zu den Metaphysischen Anfangsgründen der Naturwissenschaft meisterhaft herausgestellten Grenzen bei der Anwendung komplizierter mathematischer Lehrstücke grundsätzlich ein kartesianer geblieben. Pecere weist darauf hin, dass es Kant in den blühendesten Zeiten der Rezeption der Newtonschen Naturwissenschaft hauptsächlich darauf ankam, die Physik in die Metaphysik einzupflanzen. Pecere sieht ein schrittweises Verlassen von Seiten Kants der metaphysischen Rekonstruktion der sinnlichen Welt, das im umgekehrten Verhältnis zum Ausdenken der Relation zwischen Transzendentalphilosophie und Naturwissenschaft steht, was seinerseits von einer erkenntnistheoretischen Interpretation des Kraftbegriffs getragen werde. Der zweite Teil der Arbeit enthält einen Kommentar zu den Metaphysischen Anfangsgründen der Naturwissenschaft, die als „Metaphysik der körperlichen Natur“ aufgefasst werden. Es folgen ein dritter, dem Opus postumum gewidmeten Teil sowie ein Anhang zum formellen Problem der physischen Gesetzmäßigkeit in der KU. Interessant erscheint dabei eine Reihe von semantischen Verwechselungen, die sich aufgrund der vermeintlichen Homologie von „Naturphilosophie“ und „Physik“ ergeben. Denn obwohl im Titel dieser Arbeit eine Darstellung von Kants Naturphilosophie schlechthin versprochen wird, untersucht Pecere aber tatsächlich nur einen Teil der Physik und zwar nur den rationellen Teil, der als erstes Stück vor der experimentellen Physik unterrichtet wurde. Pecere versteht im Grunde also Kants Physik als Bedingung der Möglichkeit wissenschaftstheoretischen Wissens, ganz und gar nicht als fortschreitendes durch Experimente gewonnenes Wissen. Konsequent gliedert Pecere die kritische Philosophie aufgrund der jeweiligen Gegenstände seiner Teile: Im Anschluss auf KrV A50-52/B74-76) macht er S. 823, klar, die reine Vernunfterkenntnis teile sich in Philosophie (nach Begriffen) und in Mathematik (nach Konstruktionen von Begriffen) und wiederum die Philosophie in reine und empirische Philosophie, wobei die erstere wie bekannt in Propädeutik (Kritik) und System (Metaphysik) und letztere schließlich in Metaphysik der Natur und der Sitten, was endlich der Gegenstand dieser Untersuchung ausmachen ließe. Eine Reihe von acht gut ausgebauten Diagrammen (S. 823-826) und eine umfassende Bibliographie (S. 827-843) beschließen diese in vielen Hinsichten für die Kantforschung nützliche Arbeit. (Riccardo Pozzo, Rom)

Buchbesprechung von Paolo Pecere

POZZO, Riccardo
2014-01-01

Abstract

Paolo Pecere, La filosofia della natura in Kant, Biblioteca filosofica di Quaestio, Bd. 10, Edizioni di Pagina, Bari 2009, 851 p., ISBN 9788874700967. In dieser exzellent ausgearbeiteten Promotionsarbeit geht Paolo Pecere der Frage nach, ob Kants Kenntnisse von Ergebnissen der Naturforschung dazu beigetragen haben, die Entwicklung seiner ganzheitlichen philosophischen Auffassung mitzugestalten. In der Tat beabsichtigt Pecere diese Fragestellung zwar über das gesamte Wirken Kants zu untersuchen, beginnt aber wie selbstverständlich mit der vorkritischen Periode, die beträchtliche Verschiebungen in Kants Interesse in den Naturwissenschaften aufweist. Insbesondere in den Jahren von 1747 bis 1760 widmet sich Kant den Naturwissenschaften mit großer Hingabe, während er sich in den darauffolgenden Jahren mehr auf die eigentlich metaphysische und systematische Arbeit konzentriert. Der erste Teil der Arbeit, ist der Frage gewidmet, wieso hätte Kant der Physik so viel Aufmerksamkeit gewidmet, zumal da er mit der Ausnahme der Allgemeinen Naturgeschichte an sich wenig Nennenswertes schrieb. Interessant der Hinweis S. 489, Kant sei bei allen seinen von Konstantin Pollok kritischen Kommentar zu den Metaphysischen Anfangsgründen der Naturwissenschaft meisterhaft herausgestellten Grenzen bei der Anwendung komplizierter mathematischer Lehrstücke grundsätzlich ein kartesianer geblieben. Pecere weist darauf hin, dass es Kant in den blühendesten Zeiten der Rezeption der Newtonschen Naturwissenschaft hauptsächlich darauf ankam, die Physik in die Metaphysik einzupflanzen. Pecere sieht ein schrittweises Verlassen von Seiten Kants der metaphysischen Rekonstruktion der sinnlichen Welt, das im umgekehrten Verhältnis zum Ausdenken der Relation zwischen Transzendentalphilosophie und Naturwissenschaft steht, was seinerseits von einer erkenntnistheoretischen Interpretation des Kraftbegriffs getragen werde. Der zweite Teil der Arbeit enthält einen Kommentar zu den Metaphysischen Anfangsgründen der Naturwissenschaft, die als „Metaphysik der körperlichen Natur“ aufgefasst werden. Es folgen ein dritter, dem Opus postumum gewidmeten Teil sowie ein Anhang zum formellen Problem der physischen Gesetzmäßigkeit in der KU. Interessant erscheint dabei eine Reihe von semantischen Verwechselungen, die sich aufgrund der vermeintlichen Homologie von „Naturphilosophie“ und „Physik“ ergeben. Denn obwohl im Titel dieser Arbeit eine Darstellung von Kants Naturphilosophie schlechthin versprochen wird, untersucht Pecere aber tatsächlich nur einen Teil der Physik und zwar nur den rationellen Teil, der als erstes Stück vor der experimentellen Physik unterrichtet wurde. Pecere versteht im Grunde also Kants Physik als Bedingung der Möglichkeit wissenschaftstheoretischen Wissens, ganz und gar nicht als fortschreitendes durch Experimente gewonnenes Wissen. Konsequent gliedert Pecere die kritische Philosophie aufgrund der jeweiligen Gegenstände seiner Teile: Im Anschluss auf KrV A50-52/B74-76) macht er S. 823, klar, die reine Vernunfterkenntnis teile sich in Philosophie (nach Begriffen) und in Mathematik (nach Konstruktionen von Begriffen) und wiederum die Philosophie in reine und empirische Philosophie, wobei die erstere wie bekannt in Propädeutik (Kritik) und System (Metaphysik) und letztere schließlich in Metaphysik der Natur und der Sitten, was endlich der Gegenstand dieser Untersuchung ausmachen ließe. Eine Reihe von acht gut ausgebauten Diagrammen (S. 823-826) und eine umfassende Bibliographie (S. 827-843) beschließen diese in vielen Hinsichten für die Kantforschung nützliche Arbeit. (Riccardo Pozzo, Rom)
2014
9788874700967
Kant; Filosofia della Natura
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Utilizza questo identificativo per citare o creare un link a questo documento: https://hdl.handle.net/11562/773162
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