Martin Knutzens Philosophischer Beweis erschien von 1740 bis 1763 in nicht weniger als fünf Auflagen, denen sich 1742 auch eine Übersetzung ins Dänische zugesellte. Das Werk stellt – wie Benno Erdmanns treffenden Worten – “eine der ersten Streitschriften gegen den englischen Deismus“ dar, und zwar ein ganz vortreffliches Buch, das sich auf jener besonderen Mischung von Pietismus und Rationalismus gründet, die von Knutzen und Franz Albrecht Schulz initiiert wurde. Das Werk hatte ungewöhnlichen Erfolg (Martin Knutzen und seine Zeit, Leipzig 1876, S. 116). Ulrich Lehner fügt seinem kommentierten Neusatz der Ausgabe 1747 (S.1-196) mit Recht Neusätze von zwei Kurzschriften Knutzens, die ebenso 1747 bei Hartung erschienen: Vertheidigte Wahrheit der Christlichen Religion gegen den Einwurf: Daß die Christliche Offenbarung nicht allgemein sein (S. 197-226) und Beobachtung über die Schreibart der Heiligen Schrift (S. 227-240). Das von Knutzen angewendete Verfahren besteht darin Philosophie und Theologie zu verbinden, so dass „Die Wahrheit der christlichen Religion erweisen, heist […] so viel, als erweisen, dass diese Lehre von dem Gott der Wahrheit selbst herrühre, oder dass dieselbe die untrüglichsten Merkmale einer wahrhaften göttlichen Offenbarung an sich habe“ (§ 3, S. 23). Das Verfahren wurde von Knutzen in seinem elf Jahre zuvor erchienenen De aeternitate mundi impossibili (Königsberg 1733), in welcher er sich vornahm, eine philosophische Bestätigung der Bibelerzählung hinsichtlich der Endlichkeit des Universums dem Raum und der Zeit nach a parte ante und a parte post, was grosser Einfluß auf den engen Knutzenschüler Friedrich Weitenkampf hatte, dessen Gedanken über wichtige Wahrheiten aus der Vernunft und Religion (Braunschweig u. Hildesheim 1753, Bd. 2, S. 1-60) die Frage, ob die Welt Grenzen habe, weitgehend behandeln. Ganz im Sinne von seinem Lehrer Knutzen bekräftigt Weitenkampf die Stelle von Offenbarung 21, 1-6 zu Gotts Macht, die Welt zu zerstören und neu zu machen. Ganz im Sinne von Knutzen stellt Weitenkampf im Lehrgebäude vom Untergang der Erden (Braunschweig u. Hildesheim 1754, S. 12-19) den Versuch dar, wonach Philosophie und Theologie darin einig seien, das Ende der Welt werde nicht durch Zerstörung, sondern durch Verwandlung stattfinden: das von Gott verursachte Planetenschmelzen wird eine bessere Welt mit sich bringen. Nicht von ungefähr erwähnt Kant Weitenkamfs Schrift in einer Fußnote der Allgemeinen Naturgeschichte (KgS, vol. 1, 309-10) als Befürworter der Endlichkeit der Welt, was später in die These der ersten Antinomie einfliessen wird (dazu Riccardo Pozzo, “Kant e Weitenkampf: Una fonte ignorata della Allgemeine Naturge-schichte und Theorie des Himmels e della Prima Anti¬nomia della ragion pura” in: Rivista di storia della filosofia 48 (1993), S. 283-323). Kant spricht zwar von Weitenkampf, hätte aber gleichwohl von Knutzen sprechen können, und die von Ulrich Lehrer herausgegebenen Schriften stellen ein ungemein nützliches Instrument zur Verfügung, um die Konstellationen von Kants Entwicklungsgeschichte zu erschließen.

Martin Knutzen, Philosophischer Beweis von der Wahrheit der christichen Religion (Nordhausen: Bautz, 2005)

POZZO, Riccardo
2010-01-01

Abstract

Martin Knutzens Philosophischer Beweis erschien von 1740 bis 1763 in nicht weniger als fünf Auflagen, denen sich 1742 auch eine Übersetzung ins Dänische zugesellte. Das Werk stellt – wie Benno Erdmanns treffenden Worten – “eine der ersten Streitschriften gegen den englischen Deismus“ dar, und zwar ein ganz vortreffliches Buch, das sich auf jener besonderen Mischung von Pietismus und Rationalismus gründet, die von Knutzen und Franz Albrecht Schulz initiiert wurde. Das Werk hatte ungewöhnlichen Erfolg (Martin Knutzen und seine Zeit, Leipzig 1876, S. 116). Ulrich Lehner fügt seinem kommentierten Neusatz der Ausgabe 1747 (S.1-196) mit Recht Neusätze von zwei Kurzschriften Knutzens, die ebenso 1747 bei Hartung erschienen: Vertheidigte Wahrheit der Christlichen Religion gegen den Einwurf: Daß die Christliche Offenbarung nicht allgemein sein (S. 197-226) und Beobachtung über die Schreibart der Heiligen Schrift (S. 227-240). Das von Knutzen angewendete Verfahren besteht darin Philosophie und Theologie zu verbinden, so dass „Die Wahrheit der christlichen Religion erweisen, heist […] so viel, als erweisen, dass diese Lehre von dem Gott der Wahrheit selbst herrühre, oder dass dieselbe die untrüglichsten Merkmale einer wahrhaften göttlichen Offenbarung an sich habe“ (§ 3, S. 23). Das Verfahren wurde von Knutzen in seinem elf Jahre zuvor erchienenen De aeternitate mundi impossibili (Königsberg 1733), in welcher er sich vornahm, eine philosophische Bestätigung der Bibelerzählung hinsichtlich der Endlichkeit des Universums dem Raum und der Zeit nach a parte ante und a parte post, was grosser Einfluß auf den engen Knutzenschüler Friedrich Weitenkampf hatte, dessen Gedanken über wichtige Wahrheiten aus der Vernunft und Religion (Braunschweig u. Hildesheim 1753, Bd. 2, S. 1-60) die Frage, ob die Welt Grenzen habe, weitgehend behandeln. Ganz im Sinne von seinem Lehrer Knutzen bekräftigt Weitenkampf die Stelle von Offenbarung 21, 1-6 zu Gotts Macht, die Welt zu zerstören und neu zu machen. Ganz im Sinne von Knutzen stellt Weitenkampf im Lehrgebäude vom Untergang der Erden (Braunschweig u. Hildesheim 1754, S. 12-19) den Versuch dar, wonach Philosophie und Theologie darin einig seien, das Ende der Welt werde nicht durch Zerstörung, sondern durch Verwandlung stattfinden: das von Gott verursachte Planetenschmelzen wird eine bessere Welt mit sich bringen. Nicht von ungefähr erwähnt Kant Weitenkamfs Schrift in einer Fußnote der Allgemeinen Naturgeschichte (KgS, vol. 1, 309-10) als Befürworter der Endlichkeit der Welt, was später in die These der ersten Antinomie einfliessen wird (dazu Riccardo Pozzo, “Kant e Weitenkampf: Una fonte ignorata della Allgemeine Naturge-schichte und Theorie des Himmels e della Prima Anti¬nomia della ragion pura” in: Rivista di storia della filosofia 48 (1993), S. 283-323). Kant spricht zwar von Weitenkampf, hätte aber gleichwohl von Knutzen sprechen können, und die von Ulrich Lehrer herausgegebenen Schriften stellen ein ungemein nützliches Instrument zur Verfügung, um die Konstellationen von Kants Entwicklungsgeschichte zu erschließen.
2010
9783883093352
Martin Knutzen; Immanuel Kant; Religionsphilosophie
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