Im Ausgang der von Jocelyn Benoist aufgeworfenen Fragestellung, ob der nicht-transzendentale Status der Empfindung mit sich die Bedingung einer nicht-reinen Transzendentalität bringen könnte (Kant et les limites de la synthèse. Le sujet sensible, Paris, PUF, 1996, S. 236), die von der reinen Transzendentalität der cognitio unterschieden wäre, stellte sich Tuppini die Aufgabe, die Bedeutung eines nicht-aposteriorischen Gebrauchs realer Empfindungen nachzuforschen. Er fragt, „ob einer nicht-aposteriorischen Ausübung des Empfindens die Bedingung einer Subjektivität entsprechen könnte, die mit der Beschaffenheit eines a priori objektiv erkennenden transzendentalen Subjekts nicht zu tun habe“ (S. 13). Er fragt also, ob man in der Empfindung als solchen nicht eher eine Vorstellungsart sehen sollte, die zwar nicht an die Objektivität ausgerichtet wäre, wohl aber „auch in sich selber eine eigene apriorische Art besitzen würde, die sich einer transzendentalen Analyse unterziehen ließe? Tuppini erinnert daran, dass die apriorischen Aspekte sensitiver Formen der Vorstellung traditionell aufgrund deren Qualität thematisiert werden. Wäre also nicht in der intensiven, nicht-aposteriorischen Ausübung der Empfindung jene Urempfindung zu suchen, in der man das wahrlich nicht-transzendentalierbare Thema der KrV finden könnte? (S. 14). Tuppini schlägt vor, die Zeit als konstitutiv für den Gegenständlichkeitsbegriff einzubeziehen. Er bezieht sich dabei auf Refl. 4053, „Sind substanzen wohl realiter von accidentibus unterschieden? ist es nicht die substanzen selbst, die ich durch alle praedicate denken kan, und bleibt wohl das mindeste übrig, um es von seinen praedicaten zu unterscheiden. Nur die succession von einigem, indem einiges einerley bleibt, scheint den Unterschied zu bestätigen“ (S. 133). Gerade durch die Reduktion des Grades an die Zeiteinteilung ließe sich schließlich den Übergang in die umgekehrte Richtung ausführen, nämlich von einer subjektiv-sensitiven zu einer objektiven Vorstellung (S. 229 f.). Es handelt sich beim vorliegenden Band um eine ausgezeichnete Untersuchung einer wohl unkonventionellen aber zukunftsweisenden Fragestellung, die sich durch eine imponierende Analyse von bisher vernachlässigten Nachlassstellen besonders empfehlen läst.

Tommaso Tuppini, Sensazione, realtà, intensità (Milano: Mimesis, 2005)

POZZO, Riccardo
2009-01-01

Abstract

Im Ausgang der von Jocelyn Benoist aufgeworfenen Fragestellung, ob der nicht-transzendentale Status der Empfindung mit sich die Bedingung einer nicht-reinen Transzendentalität bringen könnte (Kant et les limites de la synthèse. Le sujet sensible, Paris, PUF, 1996, S. 236), die von der reinen Transzendentalität der cognitio unterschieden wäre, stellte sich Tuppini die Aufgabe, die Bedeutung eines nicht-aposteriorischen Gebrauchs realer Empfindungen nachzuforschen. Er fragt, „ob einer nicht-aposteriorischen Ausübung des Empfindens die Bedingung einer Subjektivität entsprechen könnte, die mit der Beschaffenheit eines a priori objektiv erkennenden transzendentalen Subjekts nicht zu tun habe“ (S. 13). Er fragt also, ob man in der Empfindung als solchen nicht eher eine Vorstellungsart sehen sollte, die zwar nicht an die Objektivität ausgerichtet wäre, wohl aber „auch in sich selber eine eigene apriorische Art besitzen würde, die sich einer transzendentalen Analyse unterziehen ließe? Tuppini erinnert daran, dass die apriorischen Aspekte sensitiver Formen der Vorstellung traditionell aufgrund deren Qualität thematisiert werden. Wäre also nicht in der intensiven, nicht-aposteriorischen Ausübung der Empfindung jene Urempfindung zu suchen, in der man das wahrlich nicht-transzendentalierbare Thema der KrV finden könnte? (S. 14). Tuppini schlägt vor, die Zeit als konstitutiv für den Gegenständlichkeitsbegriff einzubeziehen. Er bezieht sich dabei auf Refl. 4053, „Sind substanzen wohl realiter von accidentibus unterschieden? ist es nicht die substanzen selbst, die ich durch alle praedicate denken kan, und bleibt wohl das mindeste übrig, um es von seinen praedicaten zu unterscheiden. Nur die succession von einigem, indem einiges einerley bleibt, scheint den Unterschied zu bestätigen“ (S. 133). Gerade durch die Reduktion des Grades an die Zeiteinteilung ließe sich schließlich den Übergang in die umgekehrte Richtung ausführen, nämlich von einer subjektiv-sensitiven zu einer objektiven Vorstellung (S. 229 f.). Es handelt sich beim vorliegenden Band um eine ausgezeichnete Untersuchung einer wohl unkonventionellen aber zukunftsweisenden Fragestellung, die sich durch eine imponierende Analyse von bisher vernachlässigten Nachlassstellen besonders empfehlen läst.
2009
9788884833730
Kant; Deleuze; sensazione
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