Der Kantforschung fehlte eine allumfassende Monographie zum Vorsehungsbegriff noch, und zwar inklusiv aller Quellen. Dies ist eben das, was einer jetzt an der Marquette University in Winsconsin tätige Nachwuchswissenschaftler anzubieten hatte. Sich von der enormen Erudition und methodischer Strenge seines Doktorvaters Prof. Dr. Ulrich G. Leinsle an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Regensburg leitend lassend, ist der Vf. einem begriffsgeschichtlichen Pfad unter problemgeschichtlichen Fragestellung gefolgt und den Vorsehungsbegriff sowohl philosophisch als auch theologisch mit Rückgriff auf die deutsche Institutionsgeschichte des 18. Jahrhundert erschlossen. Es handelt sich dabei um einen gewaltsamen concursus opinionum, der sowohl alle bedeutende in Frage kommende Philosophen – Newton, Bayle, Hume, Leibniz, Herder, Lessing, Wolff, A.G. Baumgarten, Crusius, Mendelssohn, Reimarus und Jerusalem werden alle nach dem Themenbegriff – als auch zwei ansonsten spärlich behandelten Theologen hinterfragt, nämlich S.J. Baumgarten und Stapfer, an deren Werken der Vf. sechzig hoch interessanten Seiten widmet (S. 159-216). Lehner gibt somit die Atmosphäre der Vorsehungsdebatten im 18. Jahrhundert Deutschland. Ihm interessieren nicht die gegenseitige Quellenzuschreibungen, sondern nur die Rekonstruktion einer Problemlage. Rätselhaft bleibt allerdings die Bezeichnung von „Schulphilosophie und –Theologie“ im Titelblatt, die sich nur mit Bezug auf die hoffnungslos veraltete Konzeption von Wilhelm Wundt verstehen lässt. Ein verlässlicheres Kriterium hätten die von Lehner nicht berücksichtigten Königsberger Vorlesunsgsverzeichnisse (im Druck seit 1999) angeboten, in deren Ankündigungen Autoren wie Newton, Bayle und Hume eher nur kursorisch erwähnt wurden, und zwar im Gegensatz mit Autoren wie Leibniz, Wolff und die zwei Baumgarten, die dann der Schulphilosophie und –Theologie eindeutig zuzuschreiben wären. Kants Schriften werden der Reihen nach in zwei Abschnitten nach und nach gegen den Vorsehungsbegriff erschlossen. Schade nur, dass die grundlegende Arbeit von Paolo Grillenzoni, Kant e la scienza. Bd. I: 1747-1755 (Mailand, Vita e Pensiero,1998) nicht mitberücksichtig wurde, Grillenzoni habe doch den Anfang der vorkritischen Periode mit Blick auf Kants naturwissenschaftliche Unterweisung in Königsberg besonders eingehend erschlossen.
Ulrich H. Lehner, Kants Vorsehungskonzept aus dem Hintergrund der deutschen Schulphilosophie und –theologie (Leiden-Boston: Brill, 2007)
POZZO, Riccardo
2008-01-01
Abstract
Der Kantforschung fehlte eine allumfassende Monographie zum Vorsehungsbegriff noch, und zwar inklusiv aller Quellen. Dies ist eben das, was einer jetzt an der Marquette University in Winsconsin tätige Nachwuchswissenschaftler anzubieten hatte. Sich von der enormen Erudition und methodischer Strenge seines Doktorvaters Prof. Dr. Ulrich G. Leinsle an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Regensburg leitend lassend, ist der Vf. einem begriffsgeschichtlichen Pfad unter problemgeschichtlichen Fragestellung gefolgt und den Vorsehungsbegriff sowohl philosophisch als auch theologisch mit Rückgriff auf die deutsche Institutionsgeschichte des 18. Jahrhundert erschlossen. Es handelt sich dabei um einen gewaltsamen concursus opinionum, der sowohl alle bedeutende in Frage kommende Philosophen – Newton, Bayle, Hume, Leibniz, Herder, Lessing, Wolff, A.G. Baumgarten, Crusius, Mendelssohn, Reimarus und Jerusalem werden alle nach dem Themenbegriff – als auch zwei ansonsten spärlich behandelten Theologen hinterfragt, nämlich S.J. Baumgarten und Stapfer, an deren Werken der Vf. sechzig hoch interessanten Seiten widmet (S. 159-216). Lehner gibt somit die Atmosphäre der Vorsehungsdebatten im 18. Jahrhundert Deutschland. Ihm interessieren nicht die gegenseitige Quellenzuschreibungen, sondern nur die Rekonstruktion einer Problemlage. Rätselhaft bleibt allerdings die Bezeichnung von „Schulphilosophie und –Theologie“ im Titelblatt, die sich nur mit Bezug auf die hoffnungslos veraltete Konzeption von Wilhelm Wundt verstehen lässt. Ein verlässlicheres Kriterium hätten die von Lehner nicht berücksichtigten Königsberger Vorlesunsgsverzeichnisse (im Druck seit 1999) angeboten, in deren Ankündigungen Autoren wie Newton, Bayle und Hume eher nur kursorisch erwähnt wurden, und zwar im Gegensatz mit Autoren wie Leibniz, Wolff und die zwei Baumgarten, die dann der Schulphilosophie und –Theologie eindeutig zuzuschreiben wären. Kants Schriften werden der Reihen nach in zwei Abschnitten nach und nach gegen den Vorsehungsbegriff erschlossen. Schade nur, dass die grundlegende Arbeit von Paolo Grillenzoni, Kant e la scienza. Bd. I: 1747-1755 (Mailand, Vita e Pensiero,1998) nicht mitberücksichtig wurde, Grillenzoni habe doch den Anfang der vorkritischen Periode mit Blick auf Kants naturwissenschaftliche Unterweisung in Königsberg besonders eingehend erschlossen.I documenti in IRIS sono protetti da copyright e tutti i diritti sono riservati, salvo diversa indicazione.