Der vorliegende Beitrag stellt eine Einführung in den Gegenstand der Gesprächsanalyse und deren Grundkategorien und Hauptregeln dar. Laut W. von Humboldt “liegt in dem ursprünglichen Wesen der Sprache ein unabänderlicher Dualismus”: Anrede und Erwiderung werden als universale Kategorien dialogischen Sprechens aufgefasst. Neulich wurde der wesenhafte Dualismus der Sprache vielseitig betont: E. Goffman kennzeichnet den grundsätzlichen Paar-Charakter der Sprache dadurch, dass er zunächst Frage und Antwort als deren kanonische Form festhält, und G. Ungeheuer schlägt als allgemeine sprachkommunikative Kennzeichnung des Gesprächs die Möglichkeit des Sprecher-Hörer-Rollenwechsels (turn-taking) vor. Das Hauptmerkmal des Gesprächs ist also die Wechselbeziehung: Kurze Zurufe wie Pass auf! - Vorsicht! - Fang’ an! - Fass’ dich kurz! oder Hörersignale wie hm - ja - genau - stimmt - ja gut haben folgenderweise keine Gesprächsqualität. Im Allgemeinen gilt das Gespräch als Äußerungsfolge, an der verschiedene Sprecher beteiligt sind; ein Gespräch liegt nur dann vor, wenn zumindest zwei Personen sprachlich miteinander kommunizieren und wenigstens einmal einen Sprecherwechsel vollziehen. Im Unterschied zu schriftlichen Texten ist das Gespräch außerdem durch einen in zeitlicher Hinsicht unmittelbaren Kontakt zwischen den Kommunizierenden charakterisiert: Hauptsächliche Kommunikationsformen sind das face-to-face Gespräch und das Telefongespräch. Man definiert den Begriff Gespräch näher durch folgende Kriterien: 1) mindestens zwei Interaktanten; 2) Sprecherwechsel; 3) mündliche Realisierung; 4) Ausrichtung auf ein bestimmtes Thema . Weitere Gesprächsbegriffe sind die Termini Dialog und Konversation, deren Bedeutung jedoch eingeschränkter ist. Unter Dialog wird das ernsthafte Gespräch über ein bedeutungsvolles Thema verstanden: Der Dialog wird von zwei Interessengruppen geführt, die die gegenseitigen Standpunkte kennen lernen wollen. Die Konversation ist hingegen eine oberflächliche und unverbindliche Unterhaltung: Bei einer Konversation handelt es sich fast ausschließlich um ein konventionelles Geplauder, das meistens um der Unterhaltung willen geführt wird. Im Verhältnis zu Dialog und Konversation ist Gespräch der neutrale Terminus: Er bezeichnet den Gegenstand der linguistischen Gesprächsanalyse, während sich Dialog und Konversation auf bestimmte Gesprächsformen bzw. Gesprächsarten beziehen.
Grundkategorien der Gesprächsanalyse
CANTARINI, Sibilla
2003-01-01
Abstract
Der vorliegende Beitrag stellt eine Einführung in den Gegenstand der Gesprächsanalyse und deren Grundkategorien und Hauptregeln dar. Laut W. von Humboldt “liegt in dem ursprünglichen Wesen der Sprache ein unabänderlicher Dualismus”: Anrede und Erwiderung werden als universale Kategorien dialogischen Sprechens aufgefasst. Neulich wurde der wesenhafte Dualismus der Sprache vielseitig betont: E. Goffman kennzeichnet den grundsätzlichen Paar-Charakter der Sprache dadurch, dass er zunächst Frage und Antwort als deren kanonische Form festhält, und G. Ungeheuer schlägt als allgemeine sprachkommunikative Kennzeichnung des Gesprächs die Möglichkeit des Sprecher-Hörer-Rollenwechsels (turn-taking) vor. Das Hauptmerkmal des Gesprächs ist also die Wechselbeziehung: Kurze Zurufe wie Pass auf! - Vorsicht! - Fang’ an! - Fass’ dich kurz! oder Hörersignale wie hm - ja - genau - stimmt - ja gut haben folgenderweise keine Gesprächsqualität. Im Allgemeinen gilt das Gespräch als Äußerungsfolge, an der verschiedene Sprecher beteiligt sind; ein Gespräch liegt nur dann vor, wenn zumindest zwei Personen sprachlich miteinander kommunizieren und wenigstens einmal einen Sprecherwechsel vollziehen. Im Unterschied zu schriftlichen Texten ist das Gespräch außerdem durch einen in zeitlicher Hinsicht unmittelbaren Kontakt zwischen den Kommunizierenden charakterisiert: Hauptsächliche Kommunikationsformen sind das face-to-face Gespräch und das Telefongespräch. Man definiert den Begriff Gespräch näher durch folgende Kriterien: 1) mindestens zwei Interaktanten; 2) Sprecherwechsel; 3) mündliche Realisierung; 4) Ausrichtung auf ein bestimmtes Thema . Weitere Gesprächsbegriffe sind die Termini Dialog und Konversation, deren Bedeutung jedoch eingeschränkter ist. Unter Dialog wird das ernsthafte Gespräch über ein bedeutungsvolles Thema verstanden: Der Dialog wird von zwei Interessengruppen geführt, die die gegenseitigen Standpunkte kennen lernen wollen. Die Konversation ist hingegen eine oberflächliche und unverbindliche Unterhaltung: Bei einer Konversation handelt es sich fast ausschließlich um ein konventionelles Geplauder, das meistens um der Unterhaltung willen geführt wird. Im Verhältnis zu Dialog und Konversation ist Gespräch der neutrale Terminus: Er bezeichnet den Gegenstand der linguistischen Gesprächsanalyse, während sich Dialog und Konversation auf bestimmte Gesprächsformen bzw. Gesprächsarten beziehen.I documenti in IRIS sono protetti da copyright e tutti i diritti sono riservati, salvo diversa indicazione.