Varietas und Dissonanz. Die Frage nach einem musikalischen Ethos der Harmonie

Im Leibnizschen Denken zeigt die Lehre von der musikalischen Harmonie die Dissonanz als einen besonderen Fall von "varietas": wie in anderen Bereichen des Wissens kann es für Leibniz auch in der Musik keine ständige Wiederholung des Identischen geben. Die Absicht meiner vorliegenden Arbeit ist aufzuzeigen, wie es gerade die Dissonanz ermöglicht, die Harmonie in einer Perspektive zu sehen, nach der das Ganze nicht wie der Ausdruck eines statischen Gleichgewichts aufgefaßt werden kann, sondern wie ein System in Bewegung betrachtet werden muß, in dem die Relation zwischen den Teilen eine Funktion in physikalischem und mathematischem Sinn ist: Konsonanz und Dissonanz sind in einem dynamischen Gleichgewicht miteinander verbunden; diese Betrachtungen, die besonders auf theoretischem Niveau von Bedeutung sind, werden uns zur Erkenntnis einer ethischen – und somit auch moralischen – Valenz der Verhältnisse führen, die sich im System der Harmonie offenbaren.