Die von Günter Schenk für den Halleschen Verlag 1997 vorgelegte Edition von Georg Friedrich Meiers Vernunftlehre hat ein ganz wichtiges Desideratum der Forschung erfüllt. Denn trotz einer stets wachsenden Meierliteratur war es nicht möglich, auf einen Nachdruck von Meiers Hauptwerk bezug zu nehmen. Schenks Edition enthält nicht nur eine Transkription des Texts (mit der originalen Seitenzählung am Rande und Beiseitelegung der allerdings nicht gerade zahlreichen Satzfehler), sondern auch Schenks eigene Erläuterungen, den Text der zeitgenössischen Besprechungen, die Gesamtheit der Bemerkungen Lamberts zur Vernunftlehre sowie eine Auswahl von Kants Reflexionen über die Logik. Last but not least stellt sie eine biographische Skizze sowie Sachregister für die im Text enthaltenen deutschen, lateinischen und griechischen Termini zur Verfügung. Meiers beide im selben Jahr 1752 entstandene Logikbücher, die Vernunftlehre und der Auszug aus der Vernunftlehre, bieten im Einklang mit den akademischen Gepflogenheiten des 18. Jahrhunderts zugleich und zuvor eine Einleitung in die gesamte Philosophie an. Denn ihr systematisches Anliegen besteht nicht ausschließlich in der Ausarbeitung der formalen Aspekte der Logik, sondern vielmehr in der Herausstellung jener grundlegenden Elemente des Denkens und der Sprache, die das menschliche Verstehen möglich machen. Die Vernunftlehre — so Meiers eindrucksvolle Definition — sei „der Plan der Wirksamkeit der Vernunft“ (Vernunftlehre, § 5, Schenk 17). Der wohl wichtigste Unterschied zwischen der Vernunftlehre und ihrem Auszug, besteht darin, daß jene nur deutsche, dieser dagegen auch viele lateinische Termini enthält. Meiers lateinischer Wortschatz ist auch deswegen interessant, weil seine Erschließung dazu dient, Meiers Einfluß auf Kant sichtbar zu machen. Denn zahlreiche „‚undeutsche Ausdrücke‘ der Kritik der reinen Vernunft, an denen die Zeitgenossen Anstoß genommen haben — Amphibolie, Analytik, Dialektik, These, Antithese, Doktrin, Episyllogismus, tumultuarisch usw. — braucht man nicht an abgelegener Stelle zu suchen. Sie finden sich bereits in eben jenem Logikhandbuch, das Kant mehr als vierzig Jahre lang mit größter Regelmäßigkeit benutzt hat“ (Hinske/Schay 1986, XII). Es überrascht also nicht, daß Kants eigene logische Schriften sowie übrigens die Kritik der reinen Vernunft von Meier beeinflußt werden (Hinske 1998, 28f., 33f., 56-59, 111f., 123-28; Vásquez-Lobeiras 2001).

Der erkenntnistheoretische Ansatz von Meiers Vernunftlehre und sein Einfluß auf Kant

POZZO, Riccardo
2003-01-01

Abstract

Die von Günter Schenk für den Halleschen Verlag 1997 vorgelegte Edition von Georg Friedrich Meiers Vernunftlehre hat ein ganz wichtiges Desideratum der Forschung erfüllt. Denn trotz einer stets wachsenden Meierliteratur war es nicht möglich, auf einen Nachdruck von Meiers Hauptwerk bezug zu nehmen. Schenks Edition enthält nicht nur eine Transkription des Texts (mit der originalen Seitenzählung am Rande und Beiseitelegung der allerdings nicht gerade zahlreichen Satzfehler), sondern auch Schenks eigene Erläuterungen, den Text der zeitgenössischen Besprechungen, die Gesamtheit der Bemerkungen Lamberts zur Vernunftlehre sowie eine Auswahl von Kants Reflexionen über die Logik. Last but not least stellt sie eine biographische Skizze sowie Sachregister für die im Text enthaltenen deutschen, lateinischen und griechischen Termini zur Verfügung. Meiers beide im selben Jahr 1752 entstandene Logikbücher, die Vernunftlehre und der Auszug aus der Vernunftlehre, bieten im Einklang mit den akademischen Gepflogenheiten des 18. Jahrhunderts zugleich und zuvor eine Einleitung in die gesamte Philosophie an. Denn ihr systematisches Anliegen besteht nicht ausschließlich in der Ausarbeitung der formalen Aspekte der Logik, sondern vielmehr in der Herausstellung jener grundlegenden Elemente des Denkens und der Sprache, die das menschliche Verstehen möglich machen. Die Vernunftlehre — so Meiers eindrucksvolle Definition — sei „der Plan der Wirksamkeit der Vernunft“ (Vernunftlehre, § 5, Schenk 17). Der wohl wichtigste Unterschied zwischen der Vernunftlehre und ihrem Auszug, besteht darin, daß jene nur deutsche, dieser dagegen auch viele lateinische Termini enthält. Meiers lateinischer Wortschatz ist auch deswegen interessant, weil seine Erschließung dazu dient, Meiers Einfluß auf Kant sichtbar zu machen. Denn zahlreiche „‚undeutsche Ausdrücke‘ der Kritik der reinen Vernunft, an denen die Zeitgenossen Anstoß genommen haben — Amphibolie, Analytik, Dialektik, These, Antithese, Doktrin, Episyllogismus, tumultuarisch usw. — braucht man nicht an abgelegener Stelle zu suchen. Sie finden sich bereits in eben jenem Logikhandbuch, das Kant mehr als vierzig Jahre lang mit größter Regelmäßigkeit benutzt hat“ (Hinske/Schay 1986, XII). Es überrascht also nicht, daß Kants eigene logische Schriften sowie übrigens die Kritik der reinen Vernunft von Meier beeinflußt werden (Hinske 1998, 28f., 33f., 56-59, 111f., 123-28; Vásquez-Lobeiras 2001).
2003
9783929887358
G.F. Meier; Kant; epistemologia
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